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Wandern im Winter im Hohen Venn zum Wasserfall des Bayehon-Baches

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Nachdem ich zwischen den Jahren viel gefaulenzt hatte, lockte mich endlich wieder mal das Abenteuer. Und wo gibt es das gratis? Wenn man sich dabei auch noch verläuft, dann wird es richtig spannend. Also auf ins Hohe Venn ins Tal des Bayehon-Wasserfalls.

Es war Michael Waschkau von mwhikingtrail.de , der mich auf die Idee gebracht hat, am Neujahrstag ins Hohe Venn zu fahren, um endlich mal wieder ein klein wenig Abenteuer zu erleben. Seine Beschreibung der Tour Nr. 5 des Wanderportals naturaktiverleben.de: »Die Wasser des Venn (I): An Hoegne, Statte und Sâwe« hat mich am Vortag allein schon aufgrund seiner Fotos so für sich eingenommen, dass alle anderen Pläne sofort über den Haufen geschmissen waren. Das Wetter sollte ja Sonne bringen, was es auch teilweise tat. Immerhin, die Temperaturen liegen knapp über null Grad, das gibt mir die Gelegenheit, meine Jack-Wolfskin-Outdoor-Klamotten zum ersten Mal richtig zu testen.

Hier steht ein Bild mit dem Titel: Die Tour entlang der Hill hatte ich schon letztes Jahr gemacht (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Die Tour entlang der Hill hatte ich schon letztes Jahr gemacht (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Ich hab noch versucht, diese Tour vorzubereiten: Karten angeschaut  – auf Papier und auf Google Maps – aber als ich am nächsten Morgen im Auto saß, war ich mal wieder schlecht vorbereitet. Kein Ausdruck meiner alten Routenbeschreibung. Und mein Handy frisst zuviel Strom, um damit dem Treck zu folgen, es ist spätestens nach zwei Stunden am Rande seiner Kapazität. Und meine Garmin-Uhr tickt auch nicht mehr richtig. Ihre Akkulaufzeit betrug ursprünglich acht Stunden, jetzt ist es mal gerade noch eine Stunde, bis sie den Geist aufgibt. Aber hey, Garmin, vielleicht wollt ihr mir ja mal ein neues GPS-Gerät überlassen zum Testen.

Für den Neujahrstag allerdings bedeutete die Erkenntnis, schlecht vorbereitet zu sein, die Notwendigkeit, auf eine bekannte Strecke ausweichen zu müssen.Die gibt es allerdings reichlich. Im vergangenen Jahr bin ich zweimal an der Hill entlang gelaufen. Was mir als Alternative sofort in den Sinn kam, war der Wasserfall des Bayehon-Baches. Ausgangspunkt der Tour ist das Naturpark-Zentrum Botrange, das an der Straße von Barraque Michel nach Robertville liegt.

Bei der Abfahrt in Köln verhindert noch eine geschlossene Wolkendecke, dass die Sonne – wie angekündigt – durchkommt. Das ändert sich auf der Autobahn, bis Eupen scheint die Sonne, als ich aber Eupen Richtung Venn verlasse, ist der Himmel schon wieder verhangen. Beim Start am Naturparkzentrum in Botrange herrscht dann gar Nebel vor.

Hier steht ein Bild mit dem Titel: Nebel, Nebel, wen hast Du gestohlen ... Da fällt mir nur dieses alte Gedicht ein (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Nebel, Nebel, wen hast Du gestohlen … Da fällt mir nur dieses alte Gedicht ein (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Auf dem Weg, der mich zum Parkplatz gebracht hat, geht es dann erst einmal eine halbe Stunde weiter geradeaus. Links und rechts bestimmt Nadelwald das Bild, in Verbindung mit dem Nebel wirkt das etwas mystisch, fremd, ein wenig verzaubert. An Seitenwegen weisen Verbotsschilder daraufhin, dass es nicht zulässig ist, den Wald links und rechts zu betreten. Später wird sich rausstellen, welche Ironie sich dahinter verbirgt.

Hier steht ein Bild mit dem Titel: Nebel umfängt auch den Nadelwald (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Nebel umfängt auch den Nadelwald (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Nach der halben Stunde tritt der Wald links und rechts zurück. Die typische Vennlandschaft mit braunem Gras und niedrigen Büschen – herrscht vor. Es geht auf eine Straße zu. Unmittelbar davor biegt links ein undeutlicher Pfad ab, dem ich lieber folge als der Straße.

Hier steht ein Bild mit dem Titel: Kein gemütlicher Pfad, aber allemal besser als Straße (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Kein gemütlicher Pfad, aber allemal besser als Straße (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Ein kurzes Stück geht es nun parallel zu dieser Richtung Süden. Ein einsamer Rollerski-Läufer überholt mich (auf der Straße) in nicht gerade atemberaubender Geschwindigkeit. Aber er ist sehr konzentriert. Kriegt er überhaupt was mit von der Schönheit des Venns.

Und die zeigt sich nun auf einmal, denn jetzt bricht auch hier langsam die Sonne durch. Naja, sie versucht es zumindest, wodurch die Hochmoor-Landschaft zeitweise etwas faszinierend Malerisches bekommt. Licht und Schatten verändern das Szenario von Augenblick zu Augenblick.

Hier steht ein Bild mit dem Titel: Langsam bricht die Sonne durch den Dunst und verzaubert die Stimmung (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Langsam bricht die Sonne durch den Dunst und verzaubert die Stimmung (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Ich erreiche einen Querweg, auf diesem geht es nach links. Ein Pickup mit Anhänger (und polnischem Autokennzeichen) zwingt mich fast in den Graben neben dem Weg. Das, was sich auf dem Anhänger befindet, sieht nach Wildfutter aus. Eine Mischung aus Laub und Kastanien könnte es sein. Aber wieso füttert ein Pole hier das Wild.

Auf dem folgenden Wegstück bin ich dann mehr als überrascht, ich bin erschüttert. Der Weg, auf dem ich mich befinde, verlief früher durch einen ausgedehnten Nadelwald. Von diesem ist nicht mehr viel zu sehen. Rechts und links des Weges ist großflächig alles abgeholzt worden. Und zwar mit schwerem Gerät. Hier steht nichts mehr, auch nicht die jungen Bäumchen, die eventuell nachwachsen könnten. Hier ist alles platt gemacht.

Hier steht ein Bild mit dem Titel: Wo bleibt da der Naturschutz? Was schadet mehr: der Harvester oder Wanderers Fußabdruck (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Wo bleibt da der Naturschutz? Was schadet mehr: der Harvester oder Wanderers Fußabdruck (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Der Weg ist aufgewühlt und ich stehe plötzlich mitten im nirgendwo und weiß auf einmal nicht mehr, wie es weitergeht. Denn an einer Wildfutterkrippe ging es früher nach links in den Wald. Heuer ist hier alles aufgewühlt und einen Wald gibt es hier nicht mehr. Ich bin verwirrt. Denn auch der Weg, den ich bei früheren Begehungen an dieser Stelle verließ, scheint plötzlich hier zu enden.

Hier steht ein Bild mit dem Titel: Forstwirtschaftlicher Kahlschlag mit schwerem Gerät. Wo einst der Wald stand, herrscht jetzt Trostlosigkeit (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Forstwirtschaftlicher Kahlschlag mit schwerem Gerät. Wo einst der Wald stand, herrscht jetzt Trostlosigkeit (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Ich versuche es, mich neu zu orientieren. Rechter Hand dehnt sich die »abgeerntete« Waldfläche. Linker Hand, etwa 100 Meter von meiner aktuellen Position entfernt, ist der Wald noch unangetastet. Dazwischen ein schmaler Bach. Am Waldrand gar eine Wegmarkierung. Ich beschließe mich, dorthin durchzuschlagen.  Das Gelände ist unwegsam, holprig, voller tiefer Wasserstellen, dazwischen Grasbuckel, abgerissene Äste und Zweige, Stolpern also quasi programmiert. Aber es geht. Ich erreiche den Bach. Ein paar Baumstämme verleiten mich dazu, den gluckernden Graben zu überqueren. Ein langer Stock leistet mir dabei zusätzlich gute Dienste.

Hier steht ein Bild mit dem Titel: Ein Weg findet sich immer. Andere waren schon vor mir hier (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Ein Weg findet sich immer. Andere waren schon vor mir hier (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Ich wäre besser auf der anderen Bachseite geblieben, denn dort wo ich jetzt bin, ist der Untergrund ziemlich nass, nein, nicht feucht, sondern richtig nass durch kleine Zuflüsse und Oberflächenwasser, das dem Bayehon-Bach hier von Norden zufließt. Die Bachseite, von der ich komme, sieht zumindest von meiner aktuellen Warte etwas trockener aus. Egal, Ich erreiche den Waldrand und jetzt weiß ich: Hier bin ich schon einmal gewesen. Ja, das ist der Bach, dem ich auch früher im Wald gefolgt bin. Der Pfad ist holprig, feucht, rutschig. Dass es davon auch noch eine Steigerung gibt, werde ich später noch erfahren. Zunächst einmal bin ich froh, wieder auf vertrauter Strecke zu sein.

Der Bachlauf führt mich zu einem Querweg, auf der anderen Seite geht es weiter. Jetzt wird es aber immer holpriger. Starkes Wurzelwerk, das zudem feucht und richtig ist, führt dazu, dass mein Blick mehr am Boden haftet, als dass ich ihn in der Umbebung schweifen lassen kann. Dabei ist es gerade hier sehr spannend. Rechts des Weges am Rand einer Lichtung erhebt sich die Vieux Chêne, die alte Eiche, links am Rand des Baches stehen Bäume, die so dicht mit Moospolstern bewachsen sind, dass sie in jede Kulisse eines Fantasy-Abenteuerromans passen würden.

Hier steht ein Foto mit dem Titel: Die Alte Eiche. Leider konnte ich ihr Alter nicht herausfinden (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Die Alte Eiche. Leider konnte ich ihr Alter nicht herausfinden (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Der Bach gräbt sich immer tiefer ein, bildet eine kleine Schlucht. Ich bin aber immer noch sehr stark darauf konzentriert, mich nicht aufs Maul zu legen, der Pfad fordert immer noch alle Aufmerksamkeit – schwieriges Gelände sozusagen. Auf diesem Wegstück begegnen mir sehr viele Leute, die sich vom versprochenen Sonnenschein wohl haben rauslocken lassen. Apropos Sonne, die hat sich schon wieder hinter Wolken zurückgezogen. Das Gastspiel für heute ist vorbei. Ein, zwei Montainbike-Fahrer kommen mir entgegen. Der erste hat Reifen auf seinem Rad, die einem Motorrad alle Ehre machen würden (das war jetzt eine leichte Übertreibung, aber so dicke Reifen auf einem Fahrrad habe ich noch nie in natura gesehen).

Das so eine Strecke eine sportive Herausforderung ist, kann ich gut nachvollziehen. Aber wie schon bei dem Menschen auf den Rollerskiern frage ich mich, was er von der Schönheit der Landschaft mitkriegt. Er schaut doch die ganze Zeit nur auf den Boden. Kurz darauf geht es einen kleinen Hang hinab. Ich stehe an einem Querweg.  Meine Erinnerung spielt mir einen Streich – ich geh nach links. Nach ca. 100 Metern sehe ich links unter mir den Wasserfall, wegen dem ich doch gekommen bin. Also zurück. Inmitten der Wegkurve, an der auch der vorher begangene Pfad endete, geht links ein Pfad weiter. Ich hätte also, vom Hang kommend, nur ein paar Schritte nach rechts machen müssen. Egal, jetzt geht es also zum Wasserfall.

Um direkt ans Wasser zu gelangen, muss ich ein paar Meter runter in die Schlucht. Bei rutschigem Gelände nicht ganz so einfach, aber ich schaffe es – und erschrecke. Hier unten sieht ganz seelenruhig ein Mann mit Fotoapparat. Ich habe das Gefühl, dass ich seine Andacht störe. Aber nun bin ich auch schon mal hier. Ich wechsele auf ein paar glitschigen dicken Steinen zum gegenüberliegenden Ufer, so dass wir uns beide nicht im Blickfeld sind. Ich möchte gern ein kleines Video vom Wasserfall aufnehmen. Dafür stelle ich mich nun so in den Bachlauf, dass er der Andächtige weiterhin nicht in mein Bild fällt.

Smartphone raus und Videofunktion aufgerufen. Kaum habe ich den Startknopf gedrückt, klingelt das Telefon. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Das Klingeln des Telefons beendet sofort die Videoaufnahme. Ich drücke also den Anrufer weg. Neuer Versuch: Nach vier Sekunden Aufnahme klingelt das Handy erneut. Meine Liebste ist dran. Ich erklär ihr kurz, dass ich jetzt gerne eine Videoaufnahme machen möchte und dass ich mich später melde. Sie hat Verständnis. Also dritter Versuch: Videoaufzeichnung gestartet, Handy klingelt. Diesmal ist es mein Bruder. Ich gehe dran, erkläre kurz. Außerdem fürchte ich, dass das dauernde Handyklingeln den Andächtigen verscheucht.

Der nächste Versuch klappt dann, Gott sei Dank. Ich mache eine Aufnahme im Hoch- und eine im Querformat. Der Andächtige räumt das Feld. Ich bleibe noch ein wenig, genieße das Rauschen, Plätschern, Gurgeln und Glucksen von Wasserfall und Bach.

Danach geht es zurück zum Pfad. Wie ging es eigentlich weiter. Links weiter am Bach entlang oder zurück zum Weg und der ursprünglichen Idee folgend auf dem breiten Weg weiter. Ich gebe dem letzteren den Vorzug. Das heißt, ich bin jetzt wieder auf derselben Strecke, die ich eingeschlagen habe, als ich vom Hang runterkam. Der Forstweg steigt an. Mich beschleicht ein komisches Gefühl. Irgendwie ist mir der Weg nicht mehr vertraut, also wäre ich doch besser am Bachlauf weitergegangen!? Dann in der ersten scharfen Wegkurve zweigt links neben einem kleinen Bachlauf ein  Pfad in den Berg hinein ab. Das könnte wieder dem alten Wegverlauf entsprechen.

Hier steht ein Bild mit dem Titel: Kommt mir irgendwie bekannt vor ... (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Kommt mir irgendwie bekannt vor … (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Immer in der Nähe des Baches geht es bergauf. Aber die Landschaft bleibt fremd. Also doch verlaufen. Aber was heißt verlaufen. Ich bin immer noch im Bereich der ursprünglichen Wanderung. Da die Wanderung ja eine Rundtour ist (also großzügig gedacht einen Kreisbogen beschreibt – in diesem speziellen Fall einen Kreisbogen, den ich nach links herum gehe) und ich mich jetzt durch das zu frühe Abbiegen nach links innerhalb des  alten Kreisbogens befinde, muss ich ja – wenn ich mich stark nach links orientiere – auf den Weg stoßen, den ich an diesem Tag schon gegangen bin, oder wenn ich mich eher nach rechts orientiere – auf den alten Tourverlauf stoßen, wobei hier die Gefahr besteht, dass ich das nicht erkenne, sonst wäre ich ja nicht falsch abgebogen. Ich entscheide mich also dafür, mich eher nach links zu orientieren. Allerdings wäre es mir nicht so recht, wenn ich auf den gerade gegangenen Weg ein allzu großes Stück zurücklaufen müsste.

Ich entscheide mich also für einen Mittelweg. Nicht allzu stark links und es geht gut. Im Hang habe ich sowieso erst gar keine andere Wahl, als auf dem Pfad zu bleiben. Auf der Höhe angekommen geht der Pfad in einen Forstweg über, der allerding auch von Forstarbeiten ziemlich aufgewühlt ist. Ich nutze die erste Abzweigung nach rechts, dieser Weg geht wiederum in einen Pfad über, der sehr durchnässt ist. Ich schlage mich nach links in den Wald, wie es einige vor mir scheinbar auch schon getan haben. Jedenfalls sieht es so aus, als seien hier schon andere gelaufen. Dann geht es aus dem Wald heraus über eine kahlgeschlagene Lichtung, ein kleines Stück bergauf erahne ich einen Weg. Nachdem ich eine Forstschranke passiert habe, die mir sagt, dass ich auf diesem Wegstück eigentlich gar nicht hätte laufen dürfen (auf der Seite, von der ich komme, war ein solches Verbotsschild nicht vorhanden), stehe ich auf dem Weg, auf dem ich zweieinhalb Stunden vorher schon eimmal gelaufen bin. Von hier sind es nur noch zehn Minuten und ich stehe wieder auf dem Parkplatz, wo ich morgens das Auto abgestellt habe.

Das Naturparkzentrum – und somit auch das angeschlossene Café – hat leider geschlossen. Der Neujahrstag ist so ziemlich der einzige Tag im Jahr, an dem das Zentrum gechlossen bleibt. Und ausgerechnet diesen Tag hab ich mir ausgesucht. Klasse!

 

(Übrigens gibt es die komplette Tourbeschreibung  mit Karte und Höhenprofil in meinem Eifel-Wanderführer).

 


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