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Nix flotter Dreier – lahmer Zweier oder der schmerzhafte Weg zum Heidenhäuschen

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Also eigentlich war die kleine Tour zum Heidenhäuschen für drei Personen geplant. Beginnen wir mit der wichtigsten, nämlich mit mir. Kampfname: No, der Kilometerfresser, die zweite sollte meine Himalaya-Trekkingtour erprobte Freundin Marieta aus Wiesbaden sein, Kampfname: Turistastriga (für alle, die der slowakischen Sprache nicht mächtig sind, zu Deutsch: Wanderhexe) und schließlich mein Bruder, der alte Wanderrecke Hans-Joachim, der mir großzügigerweise diese Seite als Gastblogger zur Verfügung gestellt hat.

Hier ist Platz für das Bild: Nebelwald

Nebelwald, Fotograf: Norbert Schneider

Am Sonntagmorgen, den 1. November, sollte es in aller Frühe losgehen, aber leider ging‘s erst mal nach hinten los. Gegen acht ließ sich mein Wanderblogger-Bruder endlich blicken, aber er war in einem desolaten Zustand. Er hatte zwar gerade geduscht, wie seine nassen Haare erkennen ließen, aber frisch sieht anders aus. Jedenfalls teilte er mir mit, dass er heftige Kopfschmerzen habe und nur einen Schluck Kaffee, oder Saft oder sonst irgendwas vom Kotzen entfernt wäre. Er wolle nur nach Hause ins Bett. Am Tag zuvor war er mit seinem alten Wanderkumpel Bruno das Ahrgebirge, das Ahrtal und wahrscheinlich die Ahr selbst durchwandert oder besser durchpflügt, wahrscheinlich hat die Ahr jetzt ein paar zusätzliche Seitentäler. Er meinte nur, dass er sich tags zuvor etwas übernommen hätte. Ich ließ es gelten und ihn fahren. Also waren wir nur noch zu zweit. Nachdem ich meine Jacke, Marieta ihre zwei Hosen, drei Schals und vier Pullis und Jacken übergestreift hatten, ging es endlich los. Gegen 13:00 Uhr wollten wir zurück sein, um lecker Raclette zu essen.

Vor der Haustür angekommen, mussten wir feststellen, dass die Sicht ziemlich begrenzt war. Dichter Nebel hatte den Westerwald fest in seiner grauen Hand.

Wir kämpften uns also durch die zähen Schwaden, in der Hoffnung, dass die Sonne irgendwann das Grau vertreiben würde. Keine 300 Meter weit gekommen, hat die Deutsche Bahn uns dann schon ausgebremst und die Schranken am Ortsaus-/-eingang runtergelassen. Gefühlte halbe Stunde Wartezeit. Endlich hatte der nicht besetzte Vectus den Bahnübergang passiert und wir machten uns auf in Richtung Oberzeuzheim, als auf der kleinen Brücke ein grauer BMW anhielt und Hubi (kennt ihr nicht, ist aber auch egal) eine Scheibe runterdrehte. Da wir uns einige Monate nicht gesehen hatten, gab’s eine Menge Gesprächsstoff und an den Brückenköpfen bildeten sich langsam größere Autoschlangen. Ich unterbreitete Hubi daher den Vorschlag, die Brücke frei zu machen, damit der andere Wagen die Brücke passieren konnte, und wir setzen unsere Unterhaltung hinter der Brücke fort. Nach einer weiteren halben Stunde angeregter Unterhaltung nahmen wir dann den ersten Anstieg in Richtung Oberzeuzheim in Angriff. Der Nebel war kalt und feucht und zäh, aber meine Himalaya-Expertin aus Wiesbaden machte ordentlich Tempo.

Oberzeuzheim hatten wir schnell erreicht und auch durchquert, als mein Nepal-kundiges Marietchen erste Anzeichen körperlicher Leiden verspürte und mir diese kund tat. Oberschenkel und unterer Rücken waren nicht mehr schmerzfrei. Bei mir waren es die Schultern, die unter der Last meines schweren Rucksacks erste Schmerzsymptome zeigten. Unser erstes Ziel sollten ja die Sieben Schmerzen sein, langsam begannen wir uns ihnen zu nähern. Für alle Westerwald-unkundigen Leser. Bei den Sieben Schmerzen handelt es sich um einen Platz etwa 1,5 Km oberhalb von Oberzeuzheim, an dem eine kleine Quelle entspringt, die heilende Wirkung für gläubige Menschen haben soll. (Manchen heilt sie tatsächlich von seinem Glauben). Der Platz ist gesäumt von sieben kleinen Häuschen, die jeweils einen Schmerz des Leidensweges von Jesus darstellen. Aber gleich mehr dazu. Also kurz vor den Sieben Schmerzen steht am Wegesrand eine kleine Schutzhütte, die von meiner schmerzgeplagten Freundin kurzerhand als Heidenhäuschen deklariert wird, wohl in der Hoffnung, damit sei dann das Ziel schon erreicht. Ich mache ein Foto auf dem sie ihre Leiden überzeugend überspielt, als der Nebel sich auch schon zu lichten beginnt.

Platz für das Bild: Von wegen Heidenhäuschen, Strigahaus

Von wegen Heidenhäuschen, Strigahaus, Fotograf: Norbert Schneider

Die Höhendifferenz zu unserem Startpunkt beträgt jetzt auch schon mindestens gefühlte 5000 Meter. Aber wie gesagt, erste Sonnenstrahlen haben sich durch den dichten zähen Nebel gefressen und zwischen den Bäumen sind wunderbare Licht- und Schattenspiele zu bewundern.

Hier ist Platz für das Bild: Baumstrahlen

Baumstrahlen, Fotograf: Norbert Schneider

Jetzt stehen wir endlich an dem kleinen Weg, der hinunter zu den Sieben Schmerzen führt. Meine Knie tun weh und mein Schultergürtel schmerzt. Also drei Schmerzpunkte. Bei Marieta ist es der untere Rücken, die Oberschenkel und der Bereich, wo sich bei Frauen der Sitz des BH-Trägers befindet. Alles in allem also ganz gut, wir kommen allerdings erstmal nur auf sechs Schmerzen. Trotzdem nehmen wir jeweils zwei drei Schlucke von dem heilenden Quellwasser zu uns, ohne jedoch eine Wirkung zu verspüren. Kurzerhand legt sich Marieta auf eine der vielen Bänke, die eigentlich für Gottesdienste unter freiem Himmel gedacht sind und ich versuche sie zu massieren, um sie so von den Schmerzen zu befreien. Kaum begonnen und siehe da, … die sieben Schmerzen sind vollständig, mir tut jetzt nämlich auch noch der Rücken im Bereich der Lendenwirbelsäule weh.

Hier ist Platz für das Bild: Sieben Schmerzen, alle weg gemogelt

Sieben Schmerzen, alle weggemogelt, Fotograf: Norbert Schneider

Ich konnte Marieta zwar nicht physisch von ihren Rückenschmerzen befreien, sie aber immerhin grafisch verschwinden lassen. Die Sonne hat sich jetzt richtig durch den Nebel gekämpft, die bunten Herbstfarben erstrahlen in einem tollen Licht und wir setzen unseren Weg fort in Richtung Heidenhäuschen.

Hier ist Platz für das Bild: Herbstfarben

Herbstfarben, Fotograf: Norbert Schneider

Trotz unserer sieben Schmerzen, geht es jetzt also bei wunderbarem Herbstwetter und tollstem Sonnenschein weiter in Richtung Heidenhäuschen, das heißt weiter den Berg hinauf, über uns ein strahlend blauer Himmel und die leuchtenden Herbstfarben, der noch verbliebenen Blätter .

Hier ist Platz für ds Bild:Baumkronen vor blauem Himmel

Baumkronen vor blauem Himmel, Fotograf: Norbert Schneider

Ein letzter steiler Anstieg liegt vor uns, der mit bemoosten Felsen übersät ist. Zum Glück ist es nicht mehr feucht und damit auch nicht mehr glitschig, so dass die Gefahr sich weitere Schmerzen durch einen Sturz zuzuziehen relativ gering ist. Ja, und dann ist das Ziel auch schon erreicht. Wir begeben uns zu dem höchsten Punkt, das sind die Felsen links neben dem Gipfelkreuz und bewundern die tolle Aussicht, die heute zwar ziemlich eingeschränkt ist, weil der Nebel bis auf den Wald ringsum bzw. unterhalb von uns, noch alles fest im Griff hat, aber es sieht trotzdem phantastisch aus.

Hier findet sich folgendes Bild: Nebeltal

Nebeltal, Fotograf: Norbert Schneider

Die Sonne ist angenehm warm, die Felsen unangenehm kalt, so dass wir es nicht lange sitzend darauf aushalten, obwohl wir unsere Schals untergelegt haben. Wir gehen, also erst mal zum eigentlichen Ziel unserer Wanderung, nämlich dem Heidenhäuschen. Das Häuschen selbst ist mittlerweile in einem etwas verwahrlosten Zustand, ein Schild weist darauf hin, wer es gebaut hat und wer es betreuen sollte. Der Bau hat ja funktioniert, aber die Betreuung …

Jedenfalls haben sich schon viele Leute in und an den Wänden mit Messern, Kreide und anderen Schreibutensilien verewigt, genauso wie an den umliegenden Bäumen.

Hier ist Platz für das Bild: Initialen überall

Initialen überall, Fotograf: Norbert Schneider

Die Hinweistafeln, dass es sich hier um eine Keltische Fliehburg handelt sind noch gut in Schuss und lesbar und meine Turistastriga informiert sich ausgiebig über diesen Ort und dessen Geschichte. Ein umgestürzter Baum lädt zu einer Mutprobe ein. Ich fotografiere die Himalaya-erfahrene Hochgebirgskletterin als sie den umgestürzten Baum bezwingt natürlich so, dass man nicht erkennen kann, dass sie sich nur 30 cm über dem Erdboden befindet.

Hier ist Platz für das Bild: Mutprobe

Mutprobe, Fotograf: Norbert Schneider

Nach unserer Mutprobe will ich aber noch einmal einen Blick ins Tal werfen und schauen, ob wir jetzt den kompletten Rückweg bei strahlendem Sonnenschein absolvieren können. Leider sieht es nicht so aus, nicht einmal Oberzeuzheim hat es geschafft, sich aus dem zähen Nebel heraus zu quälen, geschweige denn Niederzeuzheim. Aber egal, zu Hause wartet ein Raclette-Essen auf uns, das uns die Schmerzen und den langen Abstieg vergessen lässt.

Hier findet sich das Bild: Lichteinfall

Lichteinfall, Fotograf: Norbert Schneider

Der Nebel ist jetzt zwischen den Bäumen fast ganz verschwunden und die Bilder sind nicht mehr ganz so imposant, aber immer noch die Einstellungen an der Kamera und Druck auf den Auslöser wert.

Hier ist Platz für das Foto: Baumstämme

Herbstfarben und Baumstämme, Fotograf: Norbert Schneider

Kurz vor Oberzeuzheim, wabern immer noch ein paar Nebelfetzen, aber sie werden immer dünner und heller und als wir Oberzeuzheim dann wieder verlassen, sind auch die ersten Häuser von Niederzeuzheim als helle Flecken durch den diesigen Nebel zu sehen.

Hier ist Platz für das Bild, Nebeldorf Niederzeuzheim

Nebeldorf Niederzeuzheim, Fotograf: Norbert Schneider

Mit flottem Schritt geht es die letzten Meter durch Niederzeuzheim, um schnell an den Mittagstisch zu gelangen, das Raclette wartet. Ein Anruf bei meiner Tochter hat genügt und schon erwarten uns die vorgeheizten Pfännchen, die gewürzten Hähnchenbruststückchen und die Lende, die Civapcici-Röllchen mit dem Aivar, der Mais und die Gürkchen, der Paprika und die Zwiebeln, die Pilze und die Silberzwiebeln, der Koch- und der Schwarzwälder Schinken, die Baguettes und das Toastbrot, die vorgekochten Kartoffelscheiben und Kräuterquark und nicht zuletzt ein leckerer Nachtisch mit Joghurt und Sahne, mit Mascapone-Creme und Ananas und das Ganze überstreut mit gerösteten Mandelstückchen. Hmmmm lecker und schon sind heruntergewanderten Kalorien wieder alle drauf, aber so ist das Leben.

 

 


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